30. Oktober 2025

Mea culpa

Sachen gibt’s. Tatsächlich! Mit eigenen Augen hab ich sie entdeckt.

Titelbild für Beitrag: Mea culpa

Zu übersehen war sie nicht, diese Mütze mit ihrer eindeutigen Aufschrift: Mea culpa. Auf dem Kopf eines Schülers, der sich wunderte, dass ich ihn bat, seine Kopfbedeckung fotografieren zu dürfen.

Das Lateinische „Mea culpa“ kann ich im Deutschen wiedergeben mit „durch meine Schuld“. Dass Menschen nicht perfekt sind, wissen jene, die ehrlich sind zu sich und anderen. Unabhängig davon, ob ich lerne, lehre oder etwas ganz anderes mache: Das eine oder andere ist und bleibt ergänzungsbedürftig, fehlerhaft oder unvollkommen.

„Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa“, hieß es in früheren Zeiten im sogenannten „Confiteor“, im Schuldbekenntnis, bei der Feier der Heiligen Messe. Vor meinem Schöpfer brauche ich nichts schönzureden. Ihm muss ich nichts vormachen. Er kennt mich besser, als ich von mir weiß. Doch nutzt er das nicht aus. Gott lässt mich nicht Tag für Tag spüren, was ich nicht hinbekomme und worin ich immer noch oder immer wieder schuldig werde. Darf ich denn nicht Verantwortung übernehmen für das, was ich nicht geschafft habe?

Das eine oder andere gibt es auch bei mir, das ich bereue. Weil es unpassend, falsch und fehlerhaft war: dass ich über mein Gegenüber verächtlich gedacht oder gesprochen habe. Dass ich mit ironischen oder gar zynischen Worten andere lächerlich gemacht habe. Dass ich glücklich war, dass andere Fehler gemacht hatten und meine eigene Unfähigkeit nicht zur Sprache kam oder nicht bemerkt wurde. „Mea culpa“ – durch meine Schuld.

Mancher redet sich heraus: Die „Umstände“ sind schuld daran, dass etwas daneben ging. Die (eigene) Unfähigkeit oder die anderer verhinderten ein besseres Ergebnis. Manchmal stehen dahinter jedoch schlicht Faulheit oder mangelnde Lernbereitschaft. Und jetzt?

„Ihr Katholiken habt es gut“, meinte ein Schüler mal zu mir, „ihr macht was falsch, beichtet es, es wird euch durch die Absolution vergeben und danach könnt ihr wieder neu anfangen.“ In der Tat: Diese „Sündenwaschmaschine“, die im übertragenen Sinn nicht nur sauber, sondern rein macht, hat was. Wenn ich wirklich bereue, was falsch war, und versuche, es besser zu machen.

Martin Luther formulierte in einem Brief an seinen Freund Philipp Melanchton: „Sündige tapfer!“ Jener hatte große Angst, Fehler zu machen. Ob das bedeutet, dass ich mache, was ich tun kann, ohne die Sorge, dabei etwas nicht richtig zu machen? Jener Reformator hatte noch zwei weitere Ratschläge für seinen Gefährten: „Sündige tapfer“, schrieb er ihm, „aber glaube und bete noch tapferer!“ Vielleicht auch daran und dafür, dass bei mir trotz mancher Defizite noch lange nicht aller Tage Abend ist. Dass ich dem vertrauen darf, der weit größer ist als ich und mich nach seinem Bild ihm ähnlich gemacht hat. Obwohl nicht alles perfekt ist.

Legitimieren meine Unvollkommenheiten alles und jedes? Sind sie nur Entschuldigung oder gar Rechtfertigung für Verkehrtes, Fehlendes und Fehlerhaftes? Nicht immer werde ich meiner Verantwortung für mich und andere gerecht. Absichtlich oder unabsichtlich passieren Fehler auch im Schulalltag in der St. Mauritius-Sekundarschule. Kleinen, Mittleren und Großen geht es ähnlich. Die einen können es zugeben, ohne dass ihnen im übertragenen Sinn ein Zacken aus der Krone fällt. Andere tun sich damit schwerer, weil sie vor anderen ein bestimmtes, ausschließlich positives Bild ihres Selbst aufrechterhalten wollen. Es ist ja uncool, nicht alles zu wissen, zu kennen und zu können.

Niemand steht gern vor anderen mit leeren Händen da. Unwissend. Unfähig. Fehlerhaft. Doch ist nicht der Sinn von Schule, meine Kenntnisse in welchem Fach auch immer zu erweitern, zu ergänzen und zu entwickeln? Dafür braucht es Verständnis, Geduld, Einfühlungsvermögen und Mut, jene zu motivieren, denen nicht alles beim ersten Versuch umfassend gelingt.


Wenn ich wieder mal über meine Unfähigkeiten stolpere, fällt mir jene Geschichte ein, die von Papst Johannes XXIII. überliefert ist. Einem jungen Bischof, der aus Sorge, etwas falsch zu machen, schlaflose Nächte hatte, soll er gesagt haben:

„Als man mich zum Papst gewählt hatte, erschrak ich vor der Würde dieses Amtes. Eine Zeit lang konnte ich überhaupt nicht mehr schlafen.  Einmal bin ich aber doch kurz eingenickt, da erschien mir ein Engel im Traum, und ich erzählte ihm meine Not. Daraufhin sagte der Engel: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig.“ Seitdem kann ich wunderbar schlafen.“

Ich bin nicht das Maß aller Dinge. Das ist gut so. Für mich und für andere. Fehler gibt es eben immer noch und immer wieder – mea culpa.

Br. Clemens Wagner ofm, Schulseelsorger